9. Tag

Eigentlich hatten wir alle fest damit gerechnet, dass heute der große Tag der Honigernte gekommen ist, doch leider hat uns wieder einmal das unbeständige und kühle Wetter der vergangenen Woche einen Strich durch die Rechnung gemacht. Unser Ausbilder Rainer (Happach) holt einen vorbereiteten Merkzettel aus seiner Hosentasche hervor und macht uns mit den dringend anstehenden Arbeiten vertraut. Die anhaltende Schwarmstimmung und unsere wöchentlichen imkerlichen Eingriffe (Brutableger, Altköniginableger, Anti-Schwarmmaßnahmen) haben die Lehrvölker nämlich gehörig durcheinander gebracht. Somit wollen wir uns vorrangig damit beschäftigen, wieder etwas Ruhe in das aufgewühlte Bienenleben zu bringen und die unbedingt notwendigen Pflegemaßnahmen auf ein Minimum zu reduzieren.

Doch schon ein Blick in den Stock des 1. Volkes (Wolfgang) zeigt uns, dass aus dieser Ruhe vermutlich nichts wird. Auf den Brutwaben findet sich keine junge Brut (Stifte, Maden) und auch die gemeinsame Suche nach ihrer Majestät bleibt erfolglos. Vermutlich ist sie vom Hochzeitsflug nicht mehr zurückgekehrt oder anderweitig auf der Strecke geblieben. Jetzt heißt es handeln! Eine Weiselprobe muss durchgeführt werden. Dazu wählen wir aus einem anderen Volk eine Brutwabe mit jüngster Brut aus, befreien sie vollständig vom Bienenbesatz und hängen den Rahmen in die Mitte des vermutlich weisellosen Volkes. In spätestens sieben Tagen werden wir dann sehen, ob sich unser Verdacht bestätigt hat. Finden wir auf dieser Wabe Nachschaffungszellen, dann ist tatsächlich keine Königin vorhanden und das Volk sorgt selbständig für Ersatz. Auch in den übrigen Bienenvölkern gestaltet sich die Suche nach der Königin mitunter sehr schwierig und wie schon so oft wird unsere Geduld erneut einer harten Bewährungsprobe unterzogen.

Als wir zu guter Letzt auch noch jede Menge Brut in den aufgesetzten Honigzargen(!) finden, ist die Verwunderung bei allen groß. Wie kommt die Königin durch das Absperrgitter und wie bekommen wir sie wieder dort hin, wo sie eigentlich hingehört - in den Brutraum? Rainer, der selbst etwas erstaunt über die ungewöhnliche Wanderlust der Weisel ist, weiß aber Rat. Wir entfernen kurzerhand das Absperrgitter und hoffen, dass sich Madame wieder in ihre angestammten Gemächer ein Stockwerk tiefer zurückzieht. Ein spannender, mit zahlreichen Überraschungen gefüllter Probeimkertag geht zu Ende und wir sind schon jetzt ganz aufgeregt, welche Ergebnisse unsere Hilfsmaßnahmen bringen werden. Außerdem dürfen wir  endlich am nächsten Samstag das flüssige Gold ernten - unser erster eigener Blütenhonig von unseren ersten eigenen Bienenvölkern!

Wolfgang